15.01.2021

Das neue Arbeiten in der Digitalen Fabrik

Prof. Dr.-Ing. Norbert Gronau über das neue Arbeiten in der Digitalen Fabrik

Software in industriellen Produktionsprozessen gibt es spätestens seit 1972, also Günter Spur auf der EMO in Mailand die erste programmgesteuerte Werkzeugmaschine mit NC-Steuerung auf einer PDP-11 vorstellte. Inzwischen ist sehr viel passiert und allein im deutschsprachigen Raum wetteifern ca. 1000 Anbieter von Fabriksoftware um den Einsatz in der Digitalen Fabrik.

Waren Manufacturing-Execution-Systeme vor 15 Jahren etwas Revolutionäres, weil sie ein neues Maß an Datenintegration auf einem von der Fabrik benötigten Detailgrad liefern konnte, wird die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Digitalen Fabrik von drei richtigen Entscheidungen abhängen:

Als erstes wird eine Architektur für die zahlreichen in der Fabrik eingesetzten Informationssysteme benötigt, um die geforderte langfristige Kombinierbarkeit bei gleichzeitiger jederzeitiger Erweiterbarkeit sicherzustellen. RAMI 4.0 und Verwaltungsschale sind erste zaghafte Schritte auf einem noch sehr langen Weg dahin. Eine wandlungsfähige Architektur eines modernen Fabrikbetriebssystems wurde an unserem Zentrum Industrie 4.0 Potsdam realisiert. Neue Technologien können dort ohne großen Anpassungsaufwand integriert und aggregiert werden.

Die zweite Dimension betrifft die Abläufe in der Fabrik. Hier besteht zukünftig erheblich mehr Spielraum für teilweise autonome Systemelemente. Diese Selbstorganisation beginnt bei der automatischen Konfigurierbarkeit von Fabrikanlagen, geht von der naht- und drahtlosen Einbindung von autonomen Logistik- und mobilen Robotiktechnologien bis hin zur Lockerung hierarchischer Entscheidungsstrukturen auf der IT- wie auf der Organisationsseite! Das Bewusstsein für diese Dimension einer modernen Fabrik scheint mir, von Ausnahmen abgesehen, noch nicht weit genug in der Praxis angekommen zu sein.

Am wichtigsten erscheint mir aber die dritte Dimension zu sein, die neue Rolle des Menschen in der Digitalen Fabrik. Diese Rolle wird sich stark erweitern. Nach wie vor wird es Bereiche geben, die (noch) nicht wirtschaftlich automatisiert werden können. Immer größer wird jedoch der Anteil an Steuerung. Überwachung und Instandhaltung an den Aufgaben in der Fabrik. Letzteres ist insbesondere im Falle einer Störung des immer komplexer werdenden Produktionssystems wichtig. Auf die Agenda müssen daher Partizipation und Weiterbildung. Die Weiterbildung muss individualisiert und näher an die betrieblichen Abläufe und Organisationsprinzipien gebracht werden. Die Partizipation kann in Lernfabriken und mittels AR/VR direkt am eigenen Arbeitsplatz erfolgen. Dann wird es gelingen, das neue Arbeiten in der Digitalen Fabrik zu einem Erfolgsmodell zu machen.

© Prof. Dr.-Ing. Norbert Gronau, 12. November 2020, veröffentlicht unter www.prof-gronau.de